Im Rahmen seiner bayernweiten Handwerkstour besuchte Andreas Birzele, Abgeordneter im Bayerischen Landtag, Beauftragter für das Handwerk und kommunalpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, gemeinsam mit Gisela Sengl, Landesvorsitzende der Grünen in Bayern, die Kreishandwerkerschaft Rosenheim.

Der Besuch war Teil einer Gesprächsreihe, mit der Birzele bis Jahresende alle oberbayerischen Kreishandwerkerschaften und Innungen persönlich kennenlernen und Themen aus den Regionen in die politische Arbeit einbringen möchte.

 

Empfangen wurden die beiden Landtagsabgeordneten von Kreishandwerksmeister Rudolf Schiller, Thomas Pichler (Obermeister der Zimmerer-Innung Rosenheim), Christian Albersinger (Obermeister der Metall-Innung Rosenheim), Christian Roß (stellvertretender Obermeister der SHK-Innung Rosenheim) sowie Mirjana Berndanner (Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft).

Nach einer ausführlichen Gesprächsrunde schloss sich eine Betriebsbesichtigung bei der Zimmerei Stefan Lechner in Stephanskirchen an.

 

Regionale Stärke und Herausforderungen im Wandel

 

Zum Auftakt interessierte sich Andreas Birzele für die wirtschaftlich stabile Lage im Raum Rosenheim:

„Liegt der Erfolg der Region vielleicht auch an der engen Verknüpfung mit dem Hochschulstandort Rosenheim und der Technikerschule?“ fragte der Abgeordnete.

Kreishandwerksmeister Schiller bestätigte: „Das Zusammenspiel aus Hochschule, Technikerschule und Handwerksbetrieben funktioniert bei uns hervorragend. Professoren betonen, dass die Studierenden von einer abgeschlossenen Ausbildung deutlich profitieren.“

 

Dennoch sei die Lage nicht frei von Problemen. Besonders die Betriebsnachfolge bereite Sorgen. „Viele Betriebe, vor allem im Lebensmittelhandwerk, hoffen auf eine Übernahme durch die eigenen Kinder. Doch das wird zunehmend schwieriger – sei es aus wirtschaftlichen, familiären oder finanziellen Gründen“, so Schiller. Oft hängt es von den Möglichkeiten der getätigten Innovationen ab, ob der Betrieb modern und gut ausgestattet ist und für eine Übernahme vorbereitet ist.

 

Fachkräftemangel, Nachwuchs und Image des Handwerks

 

Gisela Sengl sprach ein weiteres zentrales Thema an: die Nachwuchsgewinnung und das Image des Handwerks. „Wir erleben, dass Eltern ihre Kinder oft noch in Richtung Studium drängen – eine Ausbildung gilt häufig als zweite Wahl“, so Sengl.

Dem widersprach Zimmerer-Obermeister Thomas Pichler deutlich:

„Eine Ausbildung im Handwerk sollte der erste Weg sein, nicht der letzte Ausweg. Wir bieten sinnvolle, kreative und sichere Berufe mit Entwicklungsmöglichkeiten – das müssen wir gemeinsam stärker sichtbar machen.“ Hier ist deutlich die Einflußnahme der Politik erforderlich und Umdenken in der Bevölkerung.

 

Sengl ergänzte: „Das Handwerk steht für Werte wie Verantwortung, Nachhaltigkeit und Regionalität. Diese Qualitäten sollten wir stärker betonen – gerade auch im Hinblick auf junge Menschen, die Sinn in ihrer Arbeit suchen.“

 

Bürokratie und Förderpolitik – Belastung für kleine Betriebe

 

Ein breites Diskussionsthema war die zunehmende Bürokratie, die viele Betriebe als lähmend empfinden.

„Das Wort Bürokratieabbau verliert an Bedeutung, je öfter es verwendet wird – man kann es schon gar nicht mehr hören“, merkte Schiller an.

Vor allem kleine Betriebe würden unter der Fülle an Nachweisen und Regelungen leiden – vom Lieferkettengesetz über Förderanträge bis hin zu Arbeitsschutzbestimmungen.

 

Ein Beispiel brachte SHK-Vertreter Christian Roß: „Die Vier-Tage-Woche ist für große Unternehmen leichter umzusetzen. Kleine Betriebe stoßen an Grenzen – etwa, wenn Ausbilder für einen einzelnen minderjährigen Lehrling am Freitag extra anwesend sein müssen. Das erschwert die Ausbildung zusätzlich.“

 

Auch beim Lieferkettengesetz sehen viele Handwerksbetriebe ein strukturelles Ungleichgewicht. „Das Gesetz trifft uns hart, weil kleine Betriebe oft gar nicht die Kapazitäten haben, um die geforderten Nachweise zu erbringen. Damit fallen wir bei Ausschreibungen durchs Raster“, erläuterte Albersinger.

Birzele zeigte Verständnis und betonte, dass diese Rückmeldungen wichtig seien: „Das sind genau die Punkte, die wir politisch aufnehmen müssen – wie schaffen wir Regeln, die sinnvoll bleiben, aber kleine Strukturen nicht erdrücken?“

 

Regionalität, Ausschreibungen und Bauwirtschaft

 

Beim Thema Bauen und regionale Wertschöpfung wurde deutlich: Zwischen politischem Anspruch und Realität klafft eine Lücke.

„Regionalität wird überall beworben – aber bei öffentlichen Ausschreibungen zählt am Ende meist der billigste Anbieter“, kritisierte Schiller. „Das ist schade, weil gerade Gemeinden und staatliche Stellen mit gutem Beispiel vorangehen sollten, anstatt aus Bequemlichkeit zu agieren. Die Behörden sind mit der Bürokratie oftmals ebenso überfordert, wie die Anbieter“

 

Zur aktuellen Lage im Bauhandwerk sagte Schiller: „Die Krise ist bei uns noch nicht flächendeckend angekommen – außer bei Baufirmen, die auf Wohnungsbau spezialisiert sind. Sanierung und Umbau laufen noch gut, weil viele Bauherren bereit sind, energetische Vorgaben zu berücksichtigen. Aber die Bürokratie und komplizierte Nachweisverfahren schrecken viele wieder ab.“

 

Förderlandschaft: Planungssicherheit statt Stop-and-Go

 

Ein weiteres Thema war die Förderpolitik, etwa bei Wärmepumpen oder erneuerbaren Energien.

Birzele fragte nach, wie die Betriebe die aktuelle Förderpraxis beurteilen.

„Die Förderlandschaft ist ein ständiges Stop-and-Go“, antwortete Schiller. „Erst werden große Fördertöpfe geöffnet, dann wieder gestoppt – das schafft Unsicherheit bei Kunden und Betrieben.“

 

Pichler ergänzte: „Sinnvoller wäre eine kontinuierliche Förderung auf niedrigerem Niveau, die planbar ist. Momentan springen alle auf, wenn eine Förderung startet, und warten dann wieder monatelang auf den nächsten Zyklus. Das ist für die Betriebe kaum zu steuern.“

 

Sengl wies darauf hin, dass übermäßige Förderung auch Marktpreise verzerren könne: „Jede Förderung treibt am Ende die Preise nach oben – Profiteur ist vor allem die Industrie, weniger das Handwerk vor Ort.“

 

Medien, öffentliche Wahrnehmung und Eigenverantwortung

 

Ein kurzer Exkurs galt der Rolle der Medien. Birzele kritisierte, dass viele Berichte die Bevölkerung eher verunsicherten:

„Jede positive Schlagzeile wird gleich relativiert – etwa ‚Wirtschaftsaufschwung, aber wie lange noch?‘. Das zieht die Stimmung runter und demotiviert die Menschen im Handwerk.“

 

Zum Abschluss hob Gisela Sengl hervor, dass gerade kleine Betriebe in der Ausbildung eine besondere Rolle spielen:

„In großen Unternehmen ist man oft nur eine Nummer. Im Handwerksbetrieb dagegen wird jeder gebraucht und geschätzt – das ist ein unschätzbarer Wert, den wir auch gesellschaftlich stärker würdigen sollten.“ Bedauerlicherweise werden oft Gesellen aus dem Handwerk von der Industrie „abgeschöpft“ betont sie, was den Wert der Handwerksbetriebe noch steigert.

 

Fazit

 

Der Besuch zeigte eindrucksvoll, wie vielfältig die Themen und Herausforderungen des Handwerks sind – von strukturellen Fragen bis zu konkreten Alltagsproblemen in den Betrieben.

Birzele, selbst gelernter Schreiner, zog ein positives Fazit:

„Das Handwerk ist Rückgrat unserer Wirtschaft und Garant für regionale Stärke. Wir brauchen einen politischen Rahmen, der Vertrauen schafft, Bürokratie abbaut und langfristige Perspektiven ermöglicht. Genau deshalb sind solche Gespräche vor Ort so wichtig.“

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